Wiederaufnahme

2 Chapters Love

Zusammenfassung

Stars Like Moths / 2 Chapters Love
Stars Like Moths / 2 Chapters Love
Stars Like Moths / 2 Chapters Love
Stars Like Moths / 2 Chapters Love
Stars Like Moths / 2 Chapters Love
Stars Like Moths / 2 Chapters Love
Choreographien von _Sol León_ und _Sharon Eyal_
Choreographien von Sol León und Sharon Eyal
Choreographien von Sol León und Sharon Eyal
Choreographien von Sol León und Sharon Eyal
Choreographien von Sol León und Sharon Eyal
Choreographien von Sol León und Sharon Eyal

Die Werke zweier führender zeitgenössischer Choreographinnen begegnen sich im Tanzabend 2 Chapters Love: Sol León und Sharon Eyal, beide gefeiert als Stars der internationalen Tanzszene.

Sol León hat mit ihrem Partner Paul Lightfoot seit über 30 Jahren ein reiches Repertoire aussagekräftiger Stücke erarbeitet, die, so unterschiedlich sie sind, als starke und innovative Stimme im Tanzgeschehen der Gegenwart gelten. Kraftvoll und zart, humorvoll und poetisch, intellektuell und theatralisch, hat ihre Bewegungsästhetik ihre emotionalen Wurzeln in dieser Partnerschaft. Ihr unverkennbarer Stil ist ein Markenzeichen dieser gemeinsamen künstlerischen Reise. Als Hauschoreographin war Sol León dem Nederlands Dans Theater seit 2002 verbunden, als Künstlerische Beraterin des Ensembles wirkte sie anschließend von 2012 bis 2020. Seit kurzem tritt Sol Léon auch allein als Choreographin in Erscheinung. Eine ihrer ersten Solo-Arbeiten, Stars Like Moths, entstand in der Spielzeit 23/24 mit dem Staatsballett Berlin als Neuproduktion, wie immer kompromisslos persönlich und poetisch.

Sharon Eyal zieht mit ihren Kreationen überall das Publikum in ihren Bann und hat auch Berlin seit 2018 mit Werken wie Half Life und STRONG im Sturm erobert. Wer sie kennt, weiß: Man sieht nicht nur zu, man begibt sich auf eine Reise in ein surreales Paralleluniversum, in die Fluidität des Lebens selbst. Mit ihrem Team schöpft die israelische Choreographin aus den eigenen Erlebniswelten, ursprünglich das Nachtleben in Tel Aviv, das sie mit Gai Behar und Alon Cohen durch Musik und Performances mitgestaltet hat. Die hypnotische Kraft elektronischer Musik verbindet sich in ihren Arbeiten mit der Präzision und Detailgenauigkeit von ungewohnten Bewegungsmustern. Anwachsende Spannungszustände bis hin zur Ekstase versetzen nicht nur das Publikum, sondern auch die Tänzer*innen in einen rauschhaften Zustand. Immer mit dem Anliegen, die «totale Emotion» freizulegen, erarbeitete Sharon Eyal für das Staatsballett Berlin ein neues Werk, 2 Chapters Love, eine Erweiterung ihres Tanzstücks Love Chapter 2 von 2017.

Autogrammstunde im Apollosaal
In der Pause signieren Tänzer*innen des Staatsballetts Berlin am Infotisch des Freundeskreises im Apollosaal Ihre Programmhefte und Ensemblebroschüren.

Videos / Trailer

Termine

2025
2025


 
Info

Staatsoper Unter den Linden
19.30 Uhr
1 h 40 min inkl. einer Pause
9,50 – 67,00
Einführung zum Stück jeweils 45 Minuten vor der Veranstaltung
Staatsoper Unter den Linden
19.30 Uhr
1 h 40 min inkl. einer Pause
9,50 – 67,00
Einführung zum Stück jeweils 45 Minuten vor der Veranstaltung
Staatsoper Unter den Linden
19.30 Uhr
1 h 40 min inkl. einer Pause
12,50 – 82,00
Einführung zum Stück jeweils 45 Minuten vor der Veranstaltung
Staatsoper Unter den Linden
19.30 Uhr
1 h 40 min inkl. einer Pause
9,50 – 67,00
Einführung zum Stück jeweils 45 Minuten vor der Veranstaltung
Staatsoper Unter den Linden
19.30 Uhr
1 h 40 min inkl. einer Pause
12,50 – 82,00
Einführung zum Stück jeweils 45 Minuten vor der Veranstaltung
Ballettwoche

25. Mai – 1. Jun 2025

Sieben Tage Ballett en suite! Im Frühsommer lädt das Staatsballett zu einem prall gefüllten Programm in zwei Berliner Opernhäuser ein. Mit festlichen Gala-Vorstellungen, Highlights aus dem aktuellen Repertoire, einer Special Edition des Ballettgesprächs, Workshops sowie Talks und Austausch mit den Künstler*innen bietet die Ballettwoche eine Gelegenheit, tief in die Welt des professionellen Tanzes einzutauchen.

Und sie lohnt sich besonders mit dem TanzTicket: Die Saisonkarte 25/26 ist bereits zur Ballettwoche erhältlich, also zwei Monate vor Beginn der neuen Spielzeit, und ermöglicht 20% Rabatt auf alle Vorstellungen.

«Alles Schöne sollte beängstigend sein.»

Sol León im Gespräch mit Christian Spuck

Christian Spuck (CS) Was bedeutet ein Neuanfang für dich? Ist das etwas Positives oder eher Beängstigendes?

Sol León (SL) Ein Neuanfang mag beängstigend sein. Aber das ist auch schön. Alles Schöne sollte beängstigend sein. In Bezug auf meine Kreation mit euch: Mir ist klar, dass ich seit 35 Jahren im selben Haus lebe, dem Haus des Nederlands Dans Theater, und in meiner eigenen Küche mit allen Zutaten, die ich hatte, kochen konnte. Das war großartig, ich bin sehr dankbar dafür. Aber jetzt gibt mir das Leben Gelegenheit, dies an einem neuen Haus mit neuen Menschen zu tun. Und ja, es macht mich nervös. Aber ich bin vor allem neugierig und freue mich auf die Erfahrung.


CS Etwas, das für dich wahrscheinlich leicht zu beantworten ist: Wie kreierst du? Woher nimmst du deine Inspiration? Von den Tänzer*innen? Von der Musik? Hast du ein klares Konzept, wenn du beginnst? Oder ist alles in einem Prozess, wenn du das Studio betrittst? 

SL Ich glaube, dass Kreativität «aus dem Moment» kommt. Wenn nicht, ist es eher ein Rezept, welches das Gehirn einrahmt mit deinen Ängsten, deinen Dämonen und deinen Wünschen. Das führt zu einem unklaren Tanz im Kopf. Jetzt muss ich mich mit vielen Regeln beschäftigen, die mir neu sind. Wie kann unter diesen Bedingungen noch Kreativität aus dem Moment erwachsen? Die Tänzer*innen werden meine Engel sein. Deshalb ist mir die Chemie unter den Menschen mit denen ich arbeite, sehr wichtig. Ich bin immer fasziniert von der Energie und den Persönlichkeiten der Tänzer*innen. Was ich ausdrücken möchte, ist sehr zart, wie in einem Gedicht. Ich brauche eigenständige Künstler*innen, die empfindsame Menschen sind.  Ich werde dieses neue Werk ganz allein erschaffen, dieses Mal ohne meinen Partner Paul Lightfoot. Alles muss aus mir selbst kommen. Es wird also, was es wird. Ich werde nicht versuchen, dich glücklich zu machen, Christian!

CS Das ist der Grund, warum ich dich eingeladen habe! 

SL Du verstehst, warum das so ist. Aber ich will trotzdem versuchen, aufrichtig mein Innerstes zu öffnen. Als Künstler*innen haben wir eine große Verantwortung, nicht wahr? Vergessen wir die Unterhaltung. Vergessen wir, das Publikum zu erfreuen. Vergessen wir, kommerziell zu sein. Wenn es ein Erfolg wird, ist das sehr gut für uns alle. Aber das ist nicht mein Hauptziel.

CS Du hast gerade gesagt, dass der Kreationsprozess sich von allein ereignet. Es ist also ein bisschen wie bei dem Maler vor der weißen Leinwand, der einfach anfangen muss zu malen. Macht es dich nervös, dich ins Unbekannte zu begeben? 

SL Du kannst Tausende von Plänen machen. Aber dann begegnest du den Tänzer*innen im Studio, und es ist alles anders. Und ich liebe das! Das ist die Leidenschaft des Lebens. Du hast keine Angst, deinen Geliebten zu umarmen.

CS Und was machst du, wenn du das Gefühl hast, «ich weiß nicht, wie ich weitermachen soll»? Hast du das erlebt? 

SL Ins Stocken zu geraten, ist ein kost­bares Geschenk im Fluss der Kreativität. Die Herausforderung liegt vielmehr in mir selbst, wenn ich Angst habe oder ungeduldig werde. Das mag ich nicht. Der schwierige Teil ist, anderen das zu übersetzen, was ich will. 

CS Ich weiß, dass du weißt, was du willst. 

SL Ja, vor einigen Jahren wurde ich krank. Ich konnte im Studio weder gut sehen noch sprechen, aber ich fühlte mich wohl und geschützt durch die Menschen um mich herum, Es war fast telepathisch. Sie wussten, was ich in diesem Moment wollte. Das war ein kostbares Geschenk für uns alle. Aber ich frage mich, wie das mit den Menschen wird, die noch nicht mit mir gearbeitet haben. Werden sie mich für verrückt halten? 

CS Ich denke, Verrücktheit ist ein guter Anfang, um etwas zu kreieren. Wenn du die Chance hättest, dein Leben nochmal zu leben, würdest du wieder Choreographin werden? 

SL Ich würde das gleiche wählen, es möglicherweise anders nennen, aber definitiv würde ich es wieder tun. Ich glaube, ich war vier oder fünf Jahre alt. Wenn man mich fragte, «Und du, kleines Mädchen, was willst du mal werden?» wurde ich ausgelacht, denn meine Antwort war, «Ich BIN Tänzerin.» Man muss wissen, dass ich das Jüngste unter den Kindern war. Reden war für mich keine Lösung, sondern Tanzen. Mir war nicht klar, dass Tanz und Choreographie getrennt waren. Für mich war beides dasselbe.

CS Wir leben in einer sehr desolaten Krisensituation. Die Welt ist ein großes Durcheinander. Wie beeinflusst dich das, und wie beeinflusst es deine Arbeit? 

SL Es hat einen Einfluss auf mich, denn, wie ich schon sagte, ist mir klar, dass wir als Künstler*innen eine große Verantwortung haben, weil wir in der Lage sind, auszudrücken, was vor sich geht. Zum Beispiel ist für mich das, was wir dem Planeten antun, absolut falsch. 30 Grad im Winter in San Sebastián zu haben, das ist ziemlich beängstigend. Aber in dieser Zeit will ich trotzdem positiv denken. Ich arbeite gerade mit ukrainischen Tänzer*innen. Sie sind geflüchtet, und es ist erstaunlich, was man voneinander lernt. Wir nutzen die Gelegenheit, zusammen zu sein und das Unbekannte zu teilen. Natürlich ist die Situation schrecklich, aber wir nehmen auch etwas daraus mit. Es ist wie mit dem Wasser: Wenn du Wasser in einen Behälter gibst, findet es immer eine Stelle, an der es herausläuft. Und ich denke positiv! Das funktioniert. 

CS Selbst in der dunkelsten Zeit gibt es also immer eine Form der Positivität, aus der wir Hoffnung schöpfen können? 

SL Natürlich! Es gibt keine Welt der reinen Negativität. Ich habe in den letzten beiden Jahren sehr schwierige Erfahrungen gemacht. Eine davon war der Verlust meiner Eltern. Sie waren in einem sehr hohen Alter, ihr Tod war zu erwarten. Aber den­noch immer ist man konfrontiert mit Fragen wie: Was ist der Tod? Was ist der Körper? Wo ist der Geist? Aber über all den traurigen Umständen war ein Gefühl der Liebe! Liebe ist ein Daseinszustand, verletzlich und subtil, mit einer eigenen Frequenz, hier wie dort. Ich liebe meine Eltern mehr denn je, ich kann sie erkennen, mehr denn je. Die ganze Zeit sind sie bei mir. Also, was ist das? Dies ist die Idee, die mich anzieht. Wie kann ich beim Kreieren diese feinen Funken sichtbar machen?

CS Du bist eine weltberühmte Choreographin, und hast lange Zeit sehr eng mit dem Nederlands Dans Theater zusammengearbeitet. Jetzt wirst du mit dem Staatsballett Berlin arbeiten. Inwiefern wird die Arbeit anders werden? 

SL Da gibt es eine Sache, die mich am meisten interessiert. Egal wo ich auf der Welt gearbeitet habe, die meisten Sorgen habe ich mir immer über die Konflikte mit Zeitplänen und Regeln gemacht, die vielleicht nicht flexibel sind, all diese Dinge. Für mich ist Qualität das Wichtigste. Wenn ich also woanders hingehe, glaube ich daran, dass die Tänzer*innen überall auf der Welt den Wunsch nach Qualität in ihrer DNA haben. Sie wollen Qualität, oder?

CS Ich stimme Dir zu. Ich denke, die Tänzer*innen sind wirklich hungrig nach Perfektion in ihrer Arbeit. Sie lieben es, so gut wie möglich zu sein. Erst dann sind sie vollkommen zufrieden. Leider schränken Institutionen dies manchmal ein. Man muss für die Freiheit der Kunst kämpfen, die manchmal am Ende nur darin besteht, genügend Zeit und Raum zum Kreieren zu haben, um den bestmöglichen Weg zu finden. 

SL Aber ich muss Dir sagen: Ich bin ein Biest!

CS Du bist ein Biest, ich weiß. [Beide lachen.] 

SL Ich kann das nicht kontrollieren.

CS Ich würde mir die größeren Sorgen machen, wenn du mir auf dem Flur begegnen und mir sagen würdest: «Alles läuft bestens». 

SL Du weißt, dass das nicht passieren wird, [lacht]. Ich will immer mehr. Ich kann nie aufhören. Das kommt aus meiner Leidenschaft.

CS Ich habe noch eine letzte Frage. Du hast sie eigentlich schon beantwortet, aber wir möchten diese Frage allen stellen. Wie persönlich ist deine choreographische Arbeit? 

SL Es ist meine Seele.

CS Das ist das schönste Schlusswort, dass man sich denken kann. Danke für das Gespräch, Sol.

Entnommen aus dem Spielzeitheft 23/24.

«Berlin ist etwas Buntes mit einem Schwarzweiß-Gefühl.»

Sharon Eyal im Gespräch mit Christian Spuck

Christian Spuck (CS) Was bedeutet ein Neuanfang für dich? Ist das etwas Positives oder eher etwas Beängstigendes? 

Sharon Eyal (SE) Ehrlich gesagt, gibt es keinen Neuanfang, denn es geht nur um das Ende. Ein Anfang ist eigentlich das Ende von etwas. Für mich ist das alles eins!

CS Welche Rolle spielt die Stadt, in der du lebst oder arbeitest? Und wie ist es mit Berlin? 

SE Es hat viel mit Emotion, Energie und Timing zu tun. Es ist auch alles mit dem Augenblick verbunden. Ich liebe Berlin, ich habe tolle Erfahrungen hier gemacht, mit dem Staatsballett und auch mit unserer eigenen Kompanie [L-E-V Company], wir haben im Kraftwerk Mitte getanzt. Es gibt da etwas sehr Offenes in dieser Stadt. Für mich lässt sich Berlin als etwas Buntes mit einem Schwarzweiß-Gefühl beschreiben.


CS Das ist ein schönes Bild. Woher nimmst du deine Inspiration, wenn du kreierst? Erstellst du vorher ein Konzept? 

SE Ich glaube, ich kann nicht «etwas» erschaffen. Es ist vielmehr so, dass ich unterschiedliche Kräfte in meinem Körper und meinem Herzen habe, die mich dazu bewegen, etwas zu erschaffen. Ich muss tanzen, und ich muss etwas verteilen, das aus meinem Inneren kommt. Inspiration ist für mich nichts, das ich identifizieren kann. Vielmehr geht es um Erfahrung und Momente und Menschen, meine Familie und meine Liebe, all diese Momente, auch der Himmel und die Nacht. Inspiration liegt in der Luft, man muss sie nur einatmen.

CS Ist es leicht, sie einzuatmen, oder fällt das manch­mal auch schwer? 

SE Für mich ist das nie einfach. Nichts ist einfach. Mit Leichtigkeit kann ich nicht viel anfangen. Ich will aber auch nicht sagen, dass es schwer ist. Es gibt viele Farben in diesem Atem. Noch einmal, es ist alles darin enthalten. Es ist sehr minimalistisch auf sehr maximale Weise.

CS Wie wichtig sind deine künstlerischen Partner*innen, deine Tänzer*innen, deine Komponist*innen, deine Kostümbildner*innen? 

SE Ich glaube an Zusammenarbeit, und ich glaube wirklich an die Menschen um mich herum. Das ist eine weitere Inspiration. Musik, Kostüme, Licht, Tänzer*innen, und natürlich mein Mann [Gai Behar], wir arbeiten zusammen. Bei mir dreht sich alles um die Menschen. Tatsächlich kann sich durch sie in einem Stück etwas extrem verändern. Ich denke, es geht um die Chemie und darum, sich etwas zu wünschen, gemeinsam denselben Stern zu betrachten. Da ist etwas Größeres, wonach jeder und jede einzelne strebt. Die Menschen sind extrem wichtig.

CS Ist das nicht ein schöner Moment, wenn du spürst, wie alle irgendwie miteinander verschmelzen? 

SE Das ist wunderbar! Es ist etwas ganz Besonderes, wenn das passiert.

CS Ja, ich weiß genau, was du meinst. Manchmal hat man so viel zu kämpfen mit der Angst bei der Arbeit, bis man zu diesen Momenten kommt. Aber wenn es plötzlich passiert, war es jede Mühe wert. 

SE Magie.

CS Ja, Magie! Das ist das richtige Wort. Hast du Angst vor der weißen Leinwand, wenn du mit einem neuen Werk oder einer neuen Kreation beginnst? Wenn man die erste Entscheidung treffen muss? Manchmal habe ich davor Angst. 

SE Ich fange nicht mit einer weißen Leinwand an, denn ich mache eigentlich weiter. Für mich gibt es keinen Startpunkt, sondern das ist ein Prozess. Ich werde immer Angst und immer Emotionen haben. Aber von dort kommt auch die Energie. Vielleicht ist «Angst» nicht das richtige Wort. Es ist mehr eine Bedrängtheit, ich fühle mich dann unwohl mit mir selbst. Aber zugleich ist das die einzige Art und Weise, wie ich anfangen kann.

CS Wenn du also eine neue Kreation beginnst, ist es eher ein Überdenken und Fortsetzen der Arbeit, die du zuvor gemacht hast? Oder beziehst du dich auf deinen Stil generell, den du dann vielleicht reflektierst und in anderer Art und Weise umsetzt? 

SE Nein, ich beziehe mich auf nichts, es kann auch das komplette Gegenteil von etwas bereits Existierendem sein. Es ist eher wie die Erinnerung an einen Geschmack im Mund oder an ein Gesicht, die du vielleicht bewahren möchtest. Es ist nicht so, dass ich mich auf meine letzte Kreation oder auf meinen Stil beziehen muss. Es ist eher wie eine Signatur, etwas, das bereits existiert.

CS Was wärst du gern geworden, wenn nicht Choreographin? Was wäre genauso erfüllend für dich? 

SE Es ist sehr seltsam für mich, darüber nachzudenken, weil ich einfach genau das bin. Da ist das Kreieren, da ist das Tanzen, dieses Gefühl – ich bin all das. Choreographieren wird immer die Kunst sein, in der ich mich ausdrücken werde. Ich liebe wirklich, was ich tue.

CS Und erinnerst du dich an den Moment, als du wusstest «Ich muss tanzen»? Gab es da diesen funkelnden Moment, als der Tanz plötzlich sagte: «Ich will Sharon Eyal?» 

SE Als ich vier Jahre alt war, fing ich an zu tanzen, und als ich dreizehn war, habe ich das erste Mal etwas kreiert. Ich habe immer schon getanzt, aber ich weiß nicht genau, wann der Tanz mich ausgewählt hat. Ich glaube, ich war einfach da.

CS Du beschäftigst dich sehr genau damit, was im Moment in der Welt passiert. Sie ist in einem sehr desolaten Zustand, voller Krisen. Beeinträchtigt das deine Arbeit? 

SE Ich lebe in dieser Zeit, und ich bin traurig, dass all das passiert. Es ist schwer für mich. Aber ich hoffe, dass Menschen sich trotzdem verbinden können. Ich möchte teilen, was ich weiß. Und ich denke, wenn mehr Kunst geschaffen wird, wird es mehr Liebe, mehr Frieden und mehr Glück geben.

CS Ich erinnere mich sehr gern an unser Treffen in Paris. Irgendwie war das etwas ganz Besonderes für mich. Es gab einen Moment, den ich nicht vergessen kann. Wir saßen draußen und redeten, dann kam plötzlich die Sonne heraus. Da sagtest du: «Lass uns bitte reingehen. Ich bin ein Mondmädchen, ich kann die Sonne nicht ertragen.» Das ist sehr poetisch, und es erzählt mir viel darüber, wer du bist. Was hat es mit dem Mondmädchen auf sich? 

SE Ich glaube, ich bin einfach mehr Mond als Sonne. Der Mond ist so stark, ich beziehe mich auf ihn. In der Sonne fühle ich mich nicht wohl, denn ich habe eine empfindliche Haut. Ich mag die Dunkelheit, weil ich mich im Dunkeln wohler fühle.

CS Du wirst in der kommenden Spielzeit zum dritten Mal mit dem Staatsballett zusammenarbeiten. Was gefällt dir an dieser Kompanie?

SE Alles. Ich liebe die Tänzer*innen. Ich liebe das Team. Ich liebe es, dort zu sein. Und ich komme auch sehr gern an Orte zurück, wenn die Tänzer*innen meine Tanzsprache schon kennen, denn es braucht Zeit, sie zu verinnerlichen. Ich glaube, die Tänzer*innen in Berlin finden etwas in mir. 

Ich mag die Technik von klassischen Tänzer*innen. Meine Arbeit braucht das. Diese Wahnsinns-Tanztechnik, die sie haben, und ihr noch verrückteres professionelles Gefühl, diese totale Hingabe, machen die Arbeit noch körperlicher und extremer, und zwar in anderer Weise. Ja, ich liebe es, dort zu arbeiten, ich habe es immer geliebt. Ich denke, es wird großartig!

CS Wenn du zwei Kreationen gleichzeitig machen würdest, eine z. B. in Paris und eine in Berlin, würden die ähnlich oder völlig unterschiedlich aussehen? 

SE Vielleicht würden sie ähnlich aussehen, sich aber sehr, sehr unterschiedlich anfühlen. Meine These ist, dass man spüren kann, dass ich es bin, aber da gibt es auch noch andere menschliche Körper, menschliche Seelen auf der Bühne. Man spürt, dass ich es bin, wie ein Stempel.

CS Ich habe noch eine letzte Frage. Du hast das bereits beantwortet, aber vielleicht findest du eine kurze Antwort: Wie persönlich ist deine choreographische Arbeit? 

SE Ich denke, meine choreographische Arbeit ist absolut persönlich. Es gibt keinen Unterschied zwischen mir und meiner Arbeit. 

CS Es ist eigentlich über dich? 

SE Es ist über mich und auch wieder nicht. Es kommt aus meinem Inneren, aber in dem Moment, in dem ein Ensemble mitwirkt, bin ich es nicht mehr. Es kommt aus meinem persönlichen Gefühl, aber es ist zugleich universell. Ich denke, wenn du dich mit deinen eigenen Emotionen verbindest, und wenn du etwas aus dir selbst heraus erschaffst, können sich Menschen damit auch verbinden, weil wir durch das Gefühl ein- und dasselbe sind.

CS Vielen Dank, Sharon!

Entnommen aus dem Spielzeitheft 23/24.

«Es fängt immer mit Sharon an»

Musiker Ori Lichtik über Sharon Eyal, ihre kompromisslose Ästhetik und seine Liebe zu Techno-Musik.

Staatsballett Berlin (SBB) Du arbeitest schon lange mit Gai Behar und Sharon Eyal zusammen. Was ist die Grundlage eurer Zusammenarbeit?

Ori Lichtik (OL) Nicht, dass wir darüber nachgedacht hätten, aber es war offensichtlich, dass wir einige Gemeinsamkeiten haben. Beispielsweise in meiner Sicht auf Musik und Sharons Sicht auf Tanz, oder auch ihre Sicht auf Musik. Auch wenn wir unterschiedliche Geschmäcker haben. Sie mag zum Beispiel Popmusik oder sehr romantische Sachen, was nicht meinem natürlichen musikalischen Umfeld entspricht. Das ist schön, denn dann finden wir heraus, wo es in unserer Welt existieren kann. Aber unsere musikalische Gemeinsamkeit liegt im Minimalismus, in der Subtilität. Und wir gehen keine Kompromisse bei der Energie ein.


SBB Kommst du mit einer Idee für den Track zu einer Probe, mit etwas, das du gerne ausprobieren würdest? Oder kommt die Idee von Sharon?

OL Es fängt immer mit Sharon an, wegen der Art und Weise, wie sie mit den Tänzerinnen arbeitet. Deshalb müssen wir zuerst eine gemeinsame Basis haben, eine Übereinkunft über die Ästhetik. Auch die Tänzerinnen sind sehr wichtig. Es ist nicht so, dass ich das Publikum im Theater ignoriere, aber ich spiele für die Tänzerinnen. Wenn die Musik für sie funktioniert, dann wird sie für alle funktionieren. Am Anfang ist ihr Feedback extremst wichtig. Es kann nichts geschehen, wenn sie nicht auf irgendeine Art Interesse oder Freude daran haben. Manchmal kommt Sharon mit einer Songidee. Dann gibt es von diesem Song zum nächsten einen neuen choreographischen Abschnitt. Manchmal landet der Song am Ende gar nicht im Stück, ist aber während der meisten Proben da. Manchmal komme auch ich mit ein paar Ideen, zum Beispiel von einem älteren Stück. Dann spiele ich einfach damit, und Sharon und die Tänzerinnen fangen an, dazu zu tanzen. Wir zeichnen alles mit der Kamera auf. In Love Chapter 2, zum Beispiel, sind diese Studio-Sessions ein großer Teil des Stücks. Es gibt einen großen Abschnitt, den wir während der Proben eingegrenzt haben, ein bis zwei Stunden Tanzaufnahmen, die wir auf 20 Minuten komprimiert haben.

SBB Das klingt nach einer sehr organischen Art zu arbeiten, zu sehen, was aus dem Moment heraus, mit der Musik und dem Tanz entsteht…

OL Ich glaube, diese Art und Weise, wie ich Musik mache und wie Sharon vorgeht, ist der Grund, weshalb wir zusammenarbeiten. Ich habe auch eine Band, Avaq, dort spiele ich Schlagzeug. Wenn ich meine eigenen Sachen kreiere und aufnehme, dann ist das auch ein sehr organischer Prozess. Ich spiele einfach und nehme dann das Ergebnis, schneide es und putze es. Und dann tanzt Sharon dazu. Sharon nimmt die Tracks mit ins Studio, und ihre Tänzerinnen tanzen dazu. Sharon sagt manchmal, dass die Tänzerinnen zu viel «tanzen». Denn es geht vielmehr darum, in Bewegung zu sein und dass die Bewegung von innen kommen soll: aus dem Magen und aus den Eingeweiden. Und dann wird alles sehr akribisch zusammengenäht. Ich würde sagen, das ist ihre sehr starke und kompromisslose Ästhetik, eine Mischung aus dieser Art von Tanz mit einer guten Art von Techno. Die ist sehr raffiniert und sehr präzise.

SBB Warst du in deiner Vergangenheit auch musikalisch mit Berlin verbunden?

OL Ich weiß, dass von mir erwartet wird, dass ich eine bestimmte Meinung zu diesem Thema habe, aber um ehrlich zu sein, heutzutage bin ich überhaupt nicht mehr im Club. Ich war es natürlich früher; ich habe Underground-Partys gemacht. Aber ich betrachte mich nicht als «Autoritätsperson», um irgendetwas über die Szene zu sagen. Berlin und Deutschland waren schon immer Orte der Inspiration für mich. Ich habe einmal im alten Tresor-Club gespielt, bevor sie umgezogen sind, und es war eine verrückte Erfahrung, ein bisschen zu verrückt, aber es war unglaublich. Es war einfach ein gutes und kompromissloses Tanzerlebnis zu einem tollen Set. Tresor ist auch ein Label, das ich seitdem sammle. Ich glaube, die ersten 20 Platten, die ich gekauft habe, sind alle von diesem Label.

SBB Wie fühlst du dich, wenn das Publikum im Theater, oder die Kritik in Zeitungen deine Musik beschreibt?

OL Wenn es sich um eine schlechte Kritik handelt, geht mir das nahe. Aber ich versuche zu verstehen, was sie meinen, insbesondere, wenn es um meine Techno-Musik geht. Ich liebe Techno und stehe dahinter. Für mich gibt es Qualitäten im Techno, die in Relation zum Raum stehen. Sie gehören zum Kern des Ortes, zur Art und Weise, wie man ihn erleben kann. Manchmal ist es regelrecht entwürdigend für mich, wenn andere das nicht so sehen.

Entnommen aus der Ballettzeitung No. 1. Das Gespräch führte Katja Wiegand.

«Fantastisch, wie sich das Ensemble zwischen Disziplin und Ekstase bewegt. […] Man kann sich gar nicht satt sehen an diesen Körper-Verkettungen, die eine skulpturale Raffinesse besitzen.»

Tagesspiegel

«Es ist der zweite Premierenabend des Berliner Staatsballetts unter seinem neuen Intendanten Christian Spuck – und er kann getrost als Coup verstanden werden.»

RBB Kulturradio